Beim 2. HR-Stammtisch der TT konnten sich Personaler informieren und austauschen
Artikel in der TT vom 16.11.2019
Von Nina Zacke
Innsbruck – Ein Abend zum Informations- und Erfahrungsaustausch von Tiroler Personalern fand kürzlich im Atrium der Moser Holding statt. Das rege Interesse freute auch TT-Verkaufsleiter Markus Lugger: „Unsere Community wächst, und das freut mich unheimlich.“ Rund 50 interessierte Personalverantwortliche waren zum zweiten HR-Stammtisch der Tiroler Tageszeitung gekommen, um sich bei einem Vortrag zum Thema „Onboarding“ zu informieren und anschließend über den betriebsinternen Umgang dazu auszutauschen.
Und der Arbeitsbeginn ist entscheidend. Viele Firmen unterschätzen, wie hoch die Fluktuationsrate gerade im ersten Jahr ist. Das bestätigte der Vortragende und Arbeitspsychologe Bernhard Mair und ergänzte: „Es gibt in Tirol viel Luft nach oben, was das Thema Onboarding betrifft.“ Denn bis dato werde der Thematik noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Was einerseits daran liege, dass das Budget für Onboarding nicht festgelegt sei, und andererseits daran, dass Unternehmen meist im Vorfeld nicht geklärt haben, wer eigentlich dafür zuständig sei, berichtete Mair aus seiner Erfahrung als Coach in Tiroler Betrieben.Wichtig sei aber vor allem, sich genügend Zeit für das Thema zu nehmen. Beginnen könne man beispielsweise mit Micro-Onboarding, empfahl der Psychologe. „Starten Sie mit einer Mitarbeiterin, die aus der Karenz zurückkommt, oder mit Reboarding, also mit Mitarbeitern, die intern umsteigen wollen“, so Mair. Das koste wenig und ermögliche dem eigenen Betrieb eine erste Probephase in Sachen Onboarding.
Daneben erhielten die Teilnehmer des 2. Tiroler HR-Stammtischs auch wieder einen Einblick in den Newsroom. Mario Zenhäusern, einer der beiden Chefredakteure der Tiroler Tageszeitung, führte durch die Redaktion. Und Christoph Unterkofler (Teamleiter Plattformenbetreuung) und Michael Holzinger (Datenanalyst) untermauerten mit Zahlen den Erfolg in eigener Sache: Mit monatlich 94.427 Besuchen auf jobs.tt.com und 1081 Job-Angeboten hat sich die Seite im Vergleich zum Vorjahr mit 21 Prozent mehr Besuchen deutlich gesteigert.
Wann und zu welchem Thema der nächste Stammtisch stattfinden wird, entscheiden – wie im Vorjahr auch – wieder die Personalverantwortlichen von Tiroler Betrieben selbst.
Im vierten und letzten Teil der Fortbildungsworkshopreihe „Arbeits+Organisations-Psychologie 2018/19“ präsentierte Dr. Kurt Seipel die Planung und Umsetzung eines Projekts zur digitalen Transformation von Mitarbeiter*innengespächen in einem mittelständischen, international tätigen Unternehmen.
Im Juni 2018 startete das neue Format „Fortbildungsworkshop“ der Sektion A+O-Psychologie der BÖP-Landesgruppe Tirol mit der 1. Veranstaltung zum Thema Grundlagen der Arbeitszeitflexibilisierung vor dem Hintergrund der damaligen aktuellen Änderungen zum Arbeitszeitgesetz.
Im September 2018 präsentierte Ing. Mag. Bernhard Mair beim 2. Veranstaltungstermin ein konkretes Projekt zur Entwicklung und Implementierung eines auf Gleitzeit basierenden Arbeitszeitmodells in einem Unternehmen mit rund Mitarbeiter*innen.
Beim 3. Workshop, am 6.6.2019 setzten sich die Teilnehmer*innen mit Kernthesen zur Digitalisierung im Arbeitsleben auseinander: Von der betrieblichen Realität, über die Rolle von Erwerbstätigen in einer Welt ständiger Veränderung und bis hin zum Einfluss der Digitalisierung auf die Verantwortung von Führungskräften.
Der 4. und letzte Termin der Reihe, am 9.9.2019, stand wieder im Zeichen des Praxistransfers. Von Dr. Kurt Seipel wurden Impulse bzw. Herausforderungen bei der digitalen Transformation anhand eines konkreten Projekts zur Digitalisierung des Personaltools Mitarbeitergespräch aufgezeigt.
Digitalisierung bedeutet nicht automatisch, dass Mitarbeiter in Betrieben vollständig entmündigt, überwacht und Arbeitsprozesse durch Maschinen entmenschlicht werden.
Digitalisierung:
So bleibt der Mensch im Mittelpunkt
Digitalisierung bedeutet nicht
automatisch, dass Mitarbeiter in Betrieben vollständig entmündigt, überwacht
und Arbeitsprozesse durch Maschinen entmenschlicht werden, sagt Arbeitspsychologe
Ing. Mag. Bernhard Mair. Allerdings sollten Unternehmen mit entsprechenden Vereinbarungen
sicherstellen, dass der Mensch im Mittelpunkt bleibt.
Was sind aus Ihrer Praxiserfahrung die
größten Problemfelder bei der Digitalisierung von betrieblichen Abläufen?
Mair: Es gibt zwei Zugänge: Zum Ersten
die Interaktion mit Nicht-Menschen, wenn also im Augenblick der Interaktion nicht
klar ist: Wer ist z.B. im Rahmen digitaler Kommunikation mein Gegenüber? Und zum
Zweiten das Thema Überwachung und Entmündigung. Vor allem die vollständige
Mitarbeiter-Überwachung steht als Gefahr für den persönlichem Handlungsspielraum
im Vordergrund.
Wenn z. B. digitale Zeiterfassung über das Mobiltelefon in Unternehmen etabliert
wird, schafft das zwar zunächst Erleichterungen, weil Mitarbeiter*innen nicht
mehr an lokale Zeiterfassungssysteme gebunden sind. Aber gleichzeitig taucht
dann die Frage auf: Werden auch geographische Daten (GPS) miterfasst? Das wird
vor allem bei Mitarbeitern*innen im Außendienst ein Thema, wenn diese deren Firmen-Pkws
auch für private Zwecke nutzen können. Wenn das alles digital automatisch dokumentiert
wird, würde dies eine totale Überwachung darstellen.
Ein weiteres Beispiel wäre, wenn für die Erledigung von Aufgaben fixe
Intervalle vorgegeben werden. Das ist der Fall bei der Betreuung von Menschen
z.B. in Therapieeinrichtungen: Wenn exakte Minutenintervalle für einen Klienten
bzw. Patienten vorgegeben werden, dann können über das zur Verfügung stehende Zeitintervall
hinausgehende Bedürfnisse aller Beteiligten auf der Strecke bleiben.
Was können Unternehmen und
Institutionen tun, um dem zu begegnen?
Das wichtigste Thema ist Transparenz: Mitarbeiter*innen müssen Kenntnis
darüber haben, wie deren Daten verwendet werden, und sie sollen auch in ausreichendem
Ausmaß die Kontrolle über ihre Daten haben, indem z. B. innerhalb von 24 Stunden
digitale Protokolle selbst geändert werden können. Um beim Beispiel von Außendienstmitarbeiter*innen
zu bleiben, dass private Fahrten auch als solche zwar bezeichnet, Zeit- und
Ortsangaben aber gelöscht werden können.
Das muss der Arbeitgeber dann auch
dulden.
Ja, das sollte z.B. in einer Compliance-Vereinbarung entsprechend fixiert
sein. Ein ganz anderes Beispiel wäre das Programmieren, Einrichten und
Überwachen von CNC-Maschinen bei automatisierten Fertigungsprozessen. Solche
Arbeitsplätze sollten möglichst unterbrechungsfrei gestaltet werden und
gleichzeitig Zeit und Raum bieten, dass Arbeiter*innen genügend Entscheidungs-
und Handlungsspielraum haben, den direkten Arbeitsplatz zu verlassen.
Der Mitarbeiter darf also durch digitale
Überwachung nicht in einem zu engen Korsett gefesselt werden? Gibt es da Musterverträge
für solche Compliance-Vereinbarungen?
Nein, das sind naturgemäß sehr betrieblich-individuelle Vereinbarungen, bei
denen es auch darum geht, die Mitarbeiter*innen einzubeziehen.
Gibt es aus Ihrer Praxiserfahrung die
Erkenntnis, dass sich das positiv auf den Betrieb auswirkt?
Ja. Die durch Mitarbeiter*innen mitbestimmte Gestaltung von Arbeitsaufgaben,
Arbeitsstruktur und Arbeitszeit wirkt sich sehr positiv auf die
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation aus.
Wo steht Tirol bei der mitarbeitergerechten
Vorbereitung auf künstliche Intelligenz und digitale Zukunft?
Generell ist meine Einschätzung, dass die Industrie hier sehr viel weiter
ist als nichtindustrielle Klein- und Mittelbetriebe. Dort, wo die Industrie stark
ist, ist auch dieses Thema sehr gut verankert, z. B. in Oberösterreich.
Ihre Empfehlungen für die Tiroler
Unternehmen?
Grundsätzlich ist die Beteiligung von Mitarbeiter*innen bei der Gestaltung
von Arbeitsprozessen ein spannendes Thema für die Gesundheit am Arbeitsplatz
und den Erfolg von Unternehmen. Betriebe, die hier tätig werden, haben auch Vorbildwirkung
auf andere. Hier finde ich die Einbeziehung von Arbeitspsycholog*innen sehr
lohnend.
Die Zielsetzungen der Arbeitspsychologie sind zweifach: zum Ersten das Thema
Gesundheit am Arbeitsplatz als wesentliche Voraussetzung für Zufriedenheit am
Arbeitsplatz, und zum Zweiten die Chance der Persönlichkeitsweiterentwicklung von
Mitarbeiter*innen.
Das bedeutet auch, lebenslanges Lernen zu ermöglichen und zu
unterstützen. Denn eines ist klar: Um flexibel auf die, immer rascher voranschreitenden
Entwicklungen in Unternehmen reagieren zu können bzw. um diese auch selbst mitzugestalten,
ist die Fähigkeit zu einer fortwährenden Anpassung in unseren Arbeitsbiografien
erforderlich. Außerdem ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion über das eigene
Handeln und die persönlichen Zielsetzungen wesentlich. Ich bin der Ansicht,
dass in dieser Hinsicht noch viel zu tun ist. Nicht nur in der Aus- und Weiterbildung
im Arbeitsleben selbst, sondern schon im vorausgehenden Schul- und Bildungsbereich.
ZUR PERSON:
Ing. Mag. Bernhard Mair ist
zertifizierter Arbeits- und Organisationspsychologe, Unternehmensberater,
Mediator, Referent am MCI-Management Center Innsbruck und an der
Österreichischen Akademie für Psychologie. Er engagiert sich als Obmann des Vereins
Konflikthilfe Tirol für den Einsatz außergerichtlicher Konfliktlösungsverfahren.
Mair kennt die betriebliche Praxis, war knapp zehn Jahre lang Projektleiter und
Bauleiter bzw. Baumeister. Er lebt und arbeitet in Telfs.
Fortbildungsworkshop des BÖP Tirol Fachgruppe Arbeits-, Wirtschafts- und Organisationspsychlogie
Telfs, 6. Juni 2019: Aktuell zur Diskussion rund um die Digitalisierung der Arbeitswelt setzt die Landesgruppe Tirol des Berufsverbands Österreichischer Psychologinnen und Psychologen das 2018 begonnene Format „Fortbildungsworkshop“ für interessierte Arbeits- und OrganisationspsychologInnen fort.
In der Praxis von Ing. Mag. Bernhard Mair in der Bahnhofstraße 5 in Telfs präsentiert Dr. Kurt Seipel bei dieser Veranstaltung unterschiedliche Perspektiven der Entwicklung digitaler Arbeitswelten.
Das Konzept dieser Veranstaltungsreihe „Fortbildungsworkshop“ hat im Zeitraum 2018/19 die Themen Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt in den Fokus genommen. Zu jedem Schwerpunkt gibt es dazu eine Auftaktveranstaltung mit Konzentration auf die geltenden Rahmenbedingungen sowie den theoretischen Grundlagen und einer Folgeveranstaltung mit der Präsentation einer konkreten Umsetzung in der Praxis.
Bei diesen auf maximal 15 Personen begrenzten zweistündigen Treffen gehört die Diskussion und der Erfahrungsaustausch zwischen den teilnehmenden Expertinnen und Experten wesentlich zum Charakter der Veranstaltungsreihe „Fortbildungsworkshop„.
Unter diesem Motto stand am 15.3.2019 die 4. Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Smarte Produkte & Systeme“ (SPS) an der Fachhochschule Kufstein Tirol, organisiert vom Masterstudiengang Smart Products & Solutions.
Die Tagung als Plattform zum Erfahrungsaustausch unter ExpertInnen, widmete sich folgenden Fragestellungen:
Wenn
MitarbeiterInnen im digitalisierten Unternehmen von operativen
UmsetzerInnen zu ProblemlöserInnen werden– was wird dann aus den
Vorgesetzten? Wie können sie die MitarbeiterInnen am besten
unterstützen?
Schneller, flexibler, ständig erreichbar und gläsern:
Digitalisierung kann zu höherem Druck, Arbeitsintensität und verstärkter
Überwachung führen – wie können einzelne MitarbeiterInnen dem begegnen
und sich vor massiver Verhaltenskontrolle schützen?
Maschinen übernehmen vermehrt Entscheidungen – aber nach welchen
Regeln handeln sie? Welche Verhaltensgrundlagen sollen wir den Maschinen
implementieren?
Nachlese einer spannenden Veranstaltung
In seinem Eingangsreferat beschrieb Ing. Mag. Bernhard Mair
wie sich die Arbeitspsychologie seit dem Aufkommen der Digitalisierung
verändert hat. Weg von einem ausschließlichen Messen der äußeren
Belastungen für MitarbeiterInnen, hin zum Erkennen der inneren
Beanspruchungen. Und hier ist in der Praxis zu sehen, dass die
zeitlichen Abstände zwischen Stresssituationen für MitarbeiterInnen
kürzer geworden sind.
Herr Manfred Lechner, Betriebsrat bei INNIO Jenbacher und Herr Patrick Tirof,
Landesvorsitzender der Gewerkschaft PRO GE beschrieben in der Folge das
vielseitige Mitwirken der ArbeitnehmerInnen bei der Gestaltung der
neuen Arbeitswelten. Beispielsweise über firmenübergreifende Initiativen
wie der Plattform Industrie 4.0 oder innerhalb der Unternehmen, etwa
durch Qualifizierungsmaßnahmen.
Einen dritten Aspekt von „Mensch & Digitalisierung“ beschrieb Herr Dr. habil. Georg Gasser
von der Universität Innsbruck in seinem Vortrag: „die ethische
Komponente“. Festgemacht an Wirkungen der Digitalisierung auf die
menschliche Privatsphäre, die Autonomie des Handelns und die menschliche
Würde, zeigte Herr Gasser wie menschliche Zustimmung zu fremder
Datennutzung immer impliziter wird, eine ständige Entmündigung durch
maschinelle Entscheidung stattfindet und der Einsatz von Robotern zu
einer schleichenden Dehumanisierung führt. Sein Vortrag mündete in einem
Plädoyer für eine „digital private policy“, die eine explizite
Zustimmung der NutzerInnen zu neuen Technologien und Datennutzungen
einfordert.
Abschließend zeigte Herr Dipl.-Kfm. Stefan F. Gross,
Buchautor und Coach aus München, wie sich Führung durch die zunehmende
Technologisierung ändern muss, um das Potential der MitarbeiterInnen zu
heben. Weg vom militärischen Stil, hin zu einem komplexen
Führungsverhalten das der jeweiligen Situation angepasst ist und den
MitarbeiterInnen Wertschätzung und Sinn vermittelt.